Hallo Demo und wie immer ein herzliches „Verpisst euch“ an die Zivischweine!!

Wir, das autonome Wohn- Kulturprojekt Rigaer94 heißen euch Willkommen zum diesjährigen Gedenken an den von Neonazis getöteten Silvio Meier, und Willkommen auch zur Kampfansage gegen Nazis, Staat und Rassismus!
Wir reden heute und gerade jetzt zu euch, um euch ein wenig über die Straße zu erzählen, durch die ihr euch gerade bewegt – die Mainzer Straße. Denn gerade mal 6 Tage ist es her, dass sie vor gut 20 Jahren die Herrschaft von Kapital und willkürlichen Eigentumsansprüchen wiederherstellten, und in gewohnter Manier auf die Menschen geschissen haben, die ein Stück gemeinsame Freiheit leben wollten und diese Häuser besetzt haben.
Doch ganz von vorne:
Am 14. November war es genau 20 Jahre her, dass eine Invasion von gepanzerten grünen Schweinen das bunte und widerständige Zusammenleben in der Mainzer Straße beendete und einen der größten und brutalsten Polizeieinsätze der Berliner Nachkriegszeit hervorbrachte. Im Zuge der Wende wurden im Berliner Osten annähernd 180 Häuser besetzt. Es war eine Zeit, in der beinahe alles möglich schien, da das alte autoritäre DDR-System seine Macht verloren hatte, die Ostgebiete jedoch noch nicht vom Westen annektiert worden waren. In diesem Machtvakuum wurde auch die Mainzer Straße am 29. April 1990 zu großen Teilen besetzt. Mit 13 von 28 in der Straße befindlichen Häusern stellte sie den größten zusammenhängenden Besetzer_innen-Komplex dar.
Gerade mal ein halbes Jahr später wurde der Traum und das Experiment Mainzer Straße von der Staatsmacht beendet. Ein halbes Jahr bewegter und engagierter Geschichte in Selbstorganisation. Obwohl die Häuser knapp ein paar Monate vor Inkrafttreten der sog. „Berliner Linie“, besetzt wurden, wurden die Häuser nach einer Eskalation in den Vortagen zur Räumung freigegeben.

Seinen Anfang nahm es mit einer kleinen Spontandemo von 50 Personen inklusive Barrikadenbau, weil die Bullen zuvor 3 Häuser in der Pfarrstraße und der Cotheniusstraße geräumt hatten. Die Schlacht zog sich dann vom 12. November bis zur endgültigen Räumung am 14. November, als die Häuser nicht mehr militant verteidigt werden konnten und satte 3000 Bullen für das Rausschmeißen von Menschen aus ihren Wohnungen nötig waren! Die Besetzer_innen hoben in den Tagen zur Verteidigung ihres simplen Wunsches nach einem selbstbestimmten Raum zum Zusammenleben Gräben in den Straßen aus, errichteten riesige Barrikaden und hinderten die Bullen am Eindringen über Stunden durch das Werfen von Steinen und Molotowcocktails.

Wo der Staat heute schon flennt, wenn eine Bierflasche umkippt und dann über eine „neue Qualität der Gewalt“ schwadroniert wird, widersetzten sich die Menschen in der Mainzer Straße der lebensfeindlichen Politik des vereinigten Berlins mit aller Entschlossenheit. Die Bullen setzten Tränengasgranaten, Wasserwerfen und Räumfahrzeuge ein. Die Bullen haben  sogar scharf geschossen. Viele, die an diesem Tag die Mainzer verteidigten, trugen mehr als nur physische Wunden davon.

Es ist bemerkenswert, dass das Recht Einzelner, zu sagen, „ich habe Geld, mir gehört das Haus, und ich machen damit was ich will“ und Menschen vorzuschreiben wie sie darin zu leben haben, höher bewertet wird, als das Recht auf selbstbestimmtest Leben. Wie erklären wir uns sonst, den wahnhaften Krampf des Staates, alles niederzuschlagen und wegräumen zu müssen was nicht in sein Konzept passt. Ein Konzept, in dem wir wohnen, um zu fressen und dann pünktlich zur Arbeit oder zur Schule zu gehen. Wohnen ist heute meist nur das nackte Dach über dem Kopf, oder ein ekelhaftes pervertiertes Statussymbol von Reichtum, der anderen vorenthalten wird.
Die erbitterte Straßenschlacht um die Mainzer Straße ließ den damaligen Senat zerbrechen und nagte an den Verantwortlichen. 10.000 Menschen protestierten danach gegen die Räumung. Aus begründeter Angst vor weiteren von Staat und Polizei produzierten Bürgerkriegsszenarien bekamen nach und nach die anderen besetzten Häuser Verträge. Das auch der Besetzerrat der Mainzer Straße Verhandlungen angeboten hatte wurde von der Politik zur eigenen Legitimation geleugnet.

Die Mainzer Straße war eines der Vielen, aber im Besonderen eines der großen Projekte, in denen Wohnen auch Leben bedeutet. Hier gab es Schwulen- und Lesbenhäuser, ein Antiquariat mit Bibliothek, Kollektivautos, Räume für Partys und Konzerte, Theatergruppen, Autowerkstätten und die von vielen Menschen aus dem Kiez frequentierten Volxküchen. Die Häuser füllten sich und die Straße mit Leben. Nicht umsonst genoss die Mainzer Straße einen beachtlichen Rückhalt in der Bevölkerung. Straßen- und Nachbarschaftsfeste, aber auch das Erbauen eines Spielplatzes zeigten, dass die Menschen das gemeinsame Zusammenleben im Kiez wagen und Grenzen überwinden wollten. Heute verdrängen Spießbürgertum und Yuppies das solidarische Kiezflair, und wollen stattdessen individuell gleichgeschaltet ihren Cafe Latte schlürfen, die Fassaden sauber haben und nachts gefälligst ruhig schlafen in ihrer sanierten Luxuswohnung.
Diese Häuser, unsere Häuser, das sind im Idealfall auch Räume von und für die Bewegung. Räume zum träumen, lachen und kämpfen. Sie bieten einen wichtigen strukturellen Rückhalt.

Wir sollten jedoch nicht einfach  nur um die Vergangenheit trauern, es ist vielmehr die Zeit, für unsere Zukunft zu kämpfen!

Lasst die Revolte beginnen!!!

Solidarität mit allen linken und anarchistischen Hausprojekten…Weltweit!!!

Eure Rigaerstr. 94