Es ist über einen Monat her, seitdem Suitbert „Beule“ Beulker die Menschen aus der Liebig14 von über 2000 Bullen auf die Straße setzen ließ. Wir als Rigaer94 möchten ersteinmal sagen, wie begeistert wir waren über das enorme Echo was dort draußen Beule, Senat und Bullen entgegenschlug. Es ist mal wieder faszinierend, wie ihr jämmerliches Geseier darüber, man könne Themen wie Verdrängung auch „demokratisch“ diskutieren, ohne „Gewalt“ anzuwenden, hinfällig wird, wenn sie die Probleme mit ihren Methoden angehen. Die Diskussion, die danach einmal mehr entstanden ist, ist aufgekommen weil wir alle dieses Zeichen gesetzt haben und nicht weil wir Briefe an den Senat geschrieben haben und warten das sich alles zum Guten wendet! „Gewalt“ sei keine Lösung? – Nachwievor scheint es eine der wenigen Sprachen zu sein die Sie erreicht und in Bewegung setzt (Siehe z.B. aktuelle Diskussion in der taz).
Die Liebig14 ist zwar geräumt, aber wir haben gesehen wozu unsere Wut nach all den Jahren der Gewöhnung und ritualisierten Widerstandgebaren hinführen kann, und wir sind sicher, da geht noch was! Doch vielleicht erstmal ein Versuch, unser Statement zu geben….

„Sie kommen ja auch tagsüber raus“

Das Vorräumungsszenario war wie immer geprägt von der Hetze der Presse und den von ihr verbeiteten Fabeln über kinderfressende Autonome, weshalb alle pädagogischen Einrichtungen im Umkreis vor, während und nach der Räumung geschlossen hatten. Verständlich, wie sollten wir auch unseren Kindern erklären dass die Durchsetzung von „Recht und Ordnung“ eben nunmal heißt, private Profitinteressen durchzusetzen und dass es in diesem Sinne Normalität geworden ist, Leute aus ihren Wohnungen hinauszuwerfen? – Eben! Ebenso wurde das Bezirksamt über mehrere Wochen bewacht – ob da jemand Angst hat? Die Atmossphäre der autoleeren Straßen und den dutzenden Fotograf_innen die den Dorfplatz bevölkerten glich derweil einem autonomen Streichelzoo. Das Interesse an dem, was nicht sein soll war wie zu erwarten groß.
Auch nach der Räumung ändert sich wenig daran, dass ständig Leute ihr Erinnerungsfoto machen wollen. Die tiefgreifende Faszination für und gleichzeitige Mystifizierung von kollektivem Leben ist erstaunlich, geht es doch um grundlegende Dinge, die Viele betreffen: wer kann es sich in Zukunft noch leisten, hier zu wohnen? Trotz allem zeigten unglaublich viele Menschen in der Rigaer Straße und umliegend ihre Solidarität. Wir kamen mit Leuten ins Gespräch, die wir vorher gar nicht kannten, und mussten feststellen, dass es keinen Grund gibt, sich in die Isolation zu begeben. Die Bullen knatterten derweil ihre gewohnten Runden häufiger als zuvor und waren sichtlich heiss auf die Räumung. Sie pöbelten rum und führten sich auf wie eine Besatzungsarmee. Am Tag der Räumung musste man nicht unbedingt in das Klischee passen um als einzelne Personen umgeben von vollgepanzerten und überall hinpissenden Schweinen als Sicherheitsrisiko eingestuft zu werden.
Auch für uns war die Lage zeitweise unübersichtlich. Verbarrikadiert und von Bullen belagert kamen auch wir weder rein noch raus. Die Bullen standen auf dem Dach und inspizierten unsere Luke, zerstörten Zäune in mehreren Hinterhausgärten der Rigaerstraße um in unseren Garten zu gelangen und festzustellen, dass man über hohe Mauern nicht so leicht klettern kann. Gleichzeitig brachen die Schweine die Hoftür auf um sich (warum auch immer) zutritt zum Hof zu verschaffen. Wahrscheinlich wollten die Bullen in ihrer eloquenten Logik sicherstellen, nicht in unserem Innenhof beworfen zu werden. Dass man das erst sicherstellen kann wenn man sich in diesem befindet ist ja klar. Eine klare Provokation, aber was ist auch anderes von den hirnamputierten Staatsdienern zu erwarten. Unsere Besorgnis, dass die Bullen die Gelegenheit nutzen könnten, auch bei uns reinzurockern, wich bald der Erkenntnis, dass sie unser Haus nur „sichern“ wollten. So saßen wir in unserem Haus und fühlten uns trotzdem wie in einem Knast. Galgenhumor und nette triviale Ereignisse mussten herhalten um nicht durchzudrehen vor Ohnmacht und vor Hass, der aufkam als wir dabei zuzusehen mussten wie unseren Nachbar_innen, Freund_innen und Genoss_innen ihr Traum entrissen wurde. Wie tief diese Lücke klafft wird erst nach und nach klar. Wir bemühten uns unseren Teil beizutragen der uns noch blieb und versuchten, euch Infos zu geben was geht. Als es die Proteste losgingen waren wir begeistert wieviele Menschen um diese Zeit auf der Straße waren. Und sprachlos wurden wir, als wir registrieren konnten wie die Bullen vollends die Kontrolle verloren hatten in den Abendstunden. Glaubt uns, sie wussten über 4 Stunden nicht mehr wo oben und unten war. So etwas hat diese Stadt seit Jahren nicht erlebt, und ihr habt unglaublich gerockt!

Nach der Räumung ist vor der Räumung

Die ersten zwei Wochen danach waren ekelerregend. Nicht nur dass noch immer die Bullen den Dorfplatz belagerten, sie waren den Menschen hier regelrecht auf den Fersen. Rechtswidriges abfotografieren von Leuten, Bedrohungen und noch mehr Zivischweine als sonst durchsetzten den Nordkiez. Geigerzähler wurde bei einem einfachen Konzert brutal festgenommen. Man merkte, dass die Drecksbullen Ohmacht sähen wollten, der überzeugten Erkenntnis jetzt wieder die Sherrifs im Revier zu sein und die Kontrolle wieder zu besitzen. Beule hatte derweil Securitys angeheuert, die viele Leute, die nicht in ihr faschistoides Weltbild passen, immer wieder bedrohen und bepöbeln. An dieser Stelle seit ihr alle eingeladen die Kadterschmiede und den Dorfplatz durch eure Anwesenheit zu beglücken.

Unsere Wut hat sich in einer Art und Weise entladen, die wir uns nicht haben träumen lassen. Und diese Wut muss noch größer werden. Und sie wird größer werden. Wir können uns nicht in einem Atemzug mit ganzen Revolten setzen, doch die Zurichtung nicht nur dieser Gesellschaft sondern weltweit trägt überall ihre Früchte des Zorns und des Aufbegehrens. Man sieht es viel zu wenig in den Nachrichten, doch die Welt ist in den letzten Jahren ein Schauplatz tausender verschwiegener Kämpfe geworden und nicht nur in Ländern wie Griechenland, wo sich die Konflikte in Koordinaten bewegen, die wir einordnen können.
Die Unart, Städte wie Marken und Unternehmen zu vermarkten ist kein isoliertes Problem von Plätzen wie Hamburg und Berlin allein. Es wird eine enorme Herausforderung werden diese existenziellen Angriffe abzuwehren. Es finden weitreichende soziale Angriffe auf allen Ebenen statt, die auch die Menschen betreffen werden, die jetzt noch in den Kommentarspalten ihren kognitiven Dissonanzen und autoritären Phantasien Luft machen, weil ihr Dasein so profillos ist, dass sich alle in dieser Kargheit einfinden sollen, damit sie sich selbst besser fühlen. Und letztlich landen wir bei der Rigaer94 und der Kadterschmiede, die immernoch in Teilen akut räumungsbedroht sind – und mit Beule den selben sogenannten Eigentümer wie die Liebig14 haben. Doch wer auch immer sich hier als „Eigentümer“ aufspielt, eines hat diese Geschichte gezeigt: die Logik des Kaptalismus hat seine Grenzen. Ein Angriff auf linke/autonome Strukturen ist ein Angriff auf Alle. Wir sind nicht einfach ein isoliertes Hausprojekt. Auch viele Menschen aus den Nachbarhäusern haben ebenfalls keinen Bock auf ihre Normalabfertigung und werden diese sicher auch nicht einfach dulden!

Köpi verteidigen und Finger weg von unseren (Buch-)Läden!
Schafft, eine, zwei, viele Liebig14!
Rigaer94 forever, wenn Räumung dann bleibts dabei – Chaos über Berlin!

Wir danken euch von ganzem Herzen und schicken euch die Liebe und die Wut, weiter zusammen für etwas Besseres als diesen ganzen Dreck hier zu kämpfen!

Allways Yours, Rigaer94

Älteres:
Rigaer94 Call-for-Action für Liebig14
Gegen Gentrifizierung im Rigaerkiez

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