Aufruf zur internationalistischen Demonstration am Sonntag, den 4.2. // 15:00 Uhr vom Oranienplatz, Berlin

Am 20.1.2018 startete die lange vorbereitete Militäroffensive des Regime Erdogans gegen die kurdische Selbstverwaltung in Nordsyrien, Rojava. Erstes Ziel der Luft- und Bodenangriffe durch das türkische Militär und Söldner der Freien Syrischen Armee (FSA) ist der Kanton Efrîn. Ein Krieg, in Erdogans Rhetorik, geführt zur Konsolidierung der ökonomisch und politisch zerrütteten nationalen Stabilität, zur Durchsetzung geopolitischer Machtansprüche in Syrien, zur „Ausrottung“ der Kurd*innen und „Säuberung“ Nordsyriens von ihren Strukturen (Link).

Dem Demokratischen Konföderalismus Kurdistans steht hier eine Staatenideologie gegenüber, welche sich, im direkten Gegensatz, auf nationalstaatliche Legitimität über ein vermeintlich homogenes türkisches Volk in Abgrenzung zur kurdischen Identität beruft. Mithilfe seiner Vernichtungsrhetorik versucht Erdogan die Notwendigkeit eines Verteidigungskampfes für das türkische Volk zu propagieren. Hand in Hand mit der antiliberalen, regressiven Reislamisierung sowie der Gleichschaltung von Presse und Justiz, hat er sich in den letzten Jahrzehnten eine absolute Machtstellung erkämpft und diese bis zu einem regelrechten Führerkult ausgebaut.

Der Versuch in Rojava in Abgrenzung zu nationalstaatlichen Prinzipien, eine geschlechterbefreite, ökologische, demokratische und säkulare Gesellschaft aufzubauen und sich vom kapitalistischen Normalfall abzugrenzen, ist in seiner Größenordnung momentan beispiellos. Der Kampf der kurdischen Bewegung für Unabhängigkeit ist auch ein Kampf gegen die herrschenden patriarchalen Verhältnisse und für Utopien von einem Leben in Freiheit und Würde.

Der Weg, den die kurdische Bewegung gewählt hat, ist nicht geradlinig. Er ist, der realen Situation – dem Krieg – geschuldet, mit Widersprüchen gepflastert. Um aus den Kämpfen zu lernen, die aus unserer Perspektivegeprägt sind vom Leben in den Metropolen Europas und hier in der Rigaer Straße, ist eine konstruktive Auseinandersetzung mit den in Kurdistan herrschenden Verhältnissen Voraussetzung. Wir können und wollen taktische Entscheidungen, wie solche, die zum Beispiel zum Bündnis mit den USA im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) geführt haben, zwar stark kritisieren, jedoch nicht endgültig bewerten. Zu sehr fehlt uns der Einblick in strategische Konzepte und kaum jemand unter uns kennt die Realität und Grausamkeit des Krieges.

Wir kennen jedoch kein Beispiel, wo die Unterstützung freiheitlicher Kräfte von Seiten der Herrschaft aus einem anderen Grund als den staatlichen geostrategischen und wirtschaftlichen Machtinteressen zu dienen, passiert ist. Der Aufbau alternativer Gesellschaftsstrukturen wird zu keinem Zeitpunkt staatliche Motivation sein. SobaldFreiheitsbestrebungen dies tun und damit die Herrschaft zu offensiv in Frage stellen, werden sie gezwungen sein, sich zu allen Seiten erbittert verteidigen zu müssen. Eine bewaffnete Auseinandersetzung und die Organisation ganzer Gesellschaften für eben diese beinhaltet jedoch, zugunsten von Effizienz und militärischer Behauptung, die Gefahr, selbst Machtstrukturen und Hierarchien aufrecht zu erhalten. Die Erkenntnis dieser Gefahr ist für eine anarchistische Positionierung notwendig. In dieser Zeit der faschistischen Offensive auf das Projekt Rojava ist es jedoch auch notwendig, uns gemeinsam und entschlossen zu verteidigen.

Den Angriff auf Efrîn verstehen wir auch als einen Angriff auf alle, die für ein Leben jenseits der kapitalistischen Ordnung, jenseits von Staat, Macht und Gewalt einstehen und kämpfen. Wir verstehen ihn auch als einen weiteren Grund, hier vor Ort faschistische und staatliche Strukturen zu bekämpfen.

Denn die deutsche Regierung und Wirtschaft versuchen in historischer Tradition aus einem Krieg und dem Leiden unzähliger Menschen nicht nur finanziell sondern auch politisch Profit zu schlagen. Mit dem türkischen Staat besteht seit langem eine NATO-partnerschaftliche Zusammenarbeit auf militär-strategischer Ebene. Vor diesem Hintergrund ist der Panzerdeal von Sigmar Gabriel (SPD) höchstens als zynische Draufgabe zu dem systematischen Kampf gegen die kurdische Bewegung in Deutschland zu sehen. Zahlreiche §129b-Verfahren der letzten Jahre aufgrund des Verbots der PKK von 1993, das im März 2017 erfolgte Verbot von 33 kurdischen Symbolen, die Ermordung Halim Deners beim Plakatieren durch einen SEK-Beamten 1994 oder die Knüppel der deutschen Schlägerhorden bei Kundgebungen und Demos zeichnen ein klares Bild.

Wir rufen euch dazu auf, nicht nur den Kampf der kurdischen Bevölkerung gegen die türkische Invasion zu „verteidigen“, sondern uns hier der Verantwortung zu stellen und die Nutznießer dieses Krieges klar zu benennen und anzugreifen, auf allen Ebenen und mit allen Mitteln.

Wir rufen euch dazu auf, sich an der internationalistischen Demonstration am 4.2. um 15:00 Uhr vom Oranienplatz auf vielfältige Weise zu beteiligen. Lassen wir die Kämpfenden in Efrîn wissen, dass sie nicht alleine sind und zeigen wir dem deutschen Staat, dass er jederzeit mit unserem Widerstand gegen seine Ordnung rechnen muss!

Tod dem Faschismus! Für die Anarchie!

Rigaer 94

 

Weitere Aufrufe:

NAV-DEM Berlin / Dest-Dan / JXK Berlin / YXK Berlin / Ciwanen Azad Berlin / Jinen Ciwanen Azad Berlin: https://de.indymedia.org/node/17474

Antifaschistische Koordination 36:

http://ak36.blogsport.de/2018/01/24/von-kobane-nach-afrin-tod-dem-faschismus-solidaritaet-mit-rojava/

Anarchistische Bibliothek Kalabal!k:

https://kalabalik.blackblogs.org/aufruf-zur-demonstration-gegen-die-invasion-afrins/

Radikale Linke, Berlin:

https://radikale-linke.net/blog-posts/afrin-verteidigen-hoch-die-internationale-solidaritaet

 

News zur aktuellen Situation:

https://twitter.com/ICafrinresist

https://anfdeutsch.com/aktuelles/newsticker-zu-den-angriffen-auf-efrin-1795

http://rojaciwan.eu/?lang=de