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Archiv September, 2010

Liebe Liebig 14!

Die Rigaer 94 erklärt sich mit euch nicht nur im Kampf gegen die Zerstörung eures Projekts solidarisch, sondern wir wollen euch auch unseren Dank dafür aussprechen, dass ihr nicht aufgebt. Denn wir schlagen uns mit dem gleichen sogenannten Eigentümer rum und auch wir sind zum Teil räumungsbedroht. Was ihr heute auf der Straße rockt, an das können wir morgen anknüpfen.

Dass auch auf uns wieder Stress zukommt, ist offensichtlich. Während die Politik vordergründig so tut, als würde sie noch verhandeln und nach einvernehmlichen Lösungen suchen, sind rund um den Dorfplatz schon interessierte Bauherren und Investoren gesichtet worden, die sich an den Häusern vergreifen wollen. Einigen Anwohner_innen wurde sogar schon Gewalt angedroht, falls sie nicht mitspielen, sondern sich gegen die Eingriffe zur Wehr setzen. Leute, die solche Ansagen machen, haben in unserer Ecke definitiv nichts zu suchen. Es liegt an uns allen, ihnen diese Botschaft zu vermitteln.

An dieser Stelle auch ein dicker Stinkefinger an die Politik: Eine Hinhaltetaktik, die die Verhandlungen der Liebig 14 am Runden Tisch hinauszögert und darauf hofft, dass sich die Energie für praktische Solidarität mit der Zeit verringert, hat keinen Erfolg. Denn immer wieder Freiräume zu erkämpfen und zu verteidigen, ist die Praxis von Vielen, die von einer freien Gesellschaft träumen. So ein Traum platzt nicht mit einer lahmen Verhandlung, deren Ergebnislosigkeit nicht überrascht. Denn wir wissen, dass unsere wahre Stärke in der praktischen Solidarität liegt, mit der wir Tag für Tag versuchen, unseren Traum zu leben.

Während ihr redet, schließen wir Freundschaften. Während ihr redet, graben wir Steine aus. Während ihr redet, backen wir uns gegenseitig Kuchen (manchmal auch mit `ner Feile drin). Während ihr redet, pflastern wir die Straße mit unseren Ideen. Während ihr redet, kommen wir unserer Utopie ein Stückchen näher.

RIGAER STRAßE LIEBIG BLEIBT!

ONE STRUGGLE ONE FIGHT

Hallo Demo und wie immer ein beherztes „verpisst euch“ an die Zivischweine und Pateibonzen!!!

 Wir aus dem autonomen Wohn- und Kulturprojekt Rigaer 94 sind in unserem Viertel immer wieder mit der Kontroll- und Ordnungsliebe der Staatsmacht konfrontiert. Der in unserer Nachbarschaft beliebte Dorfplatz ist schon seit Monaten Ziel von Angriffen der Ordnungsmacht, welche versucht, uns durch brutales Vorgehen und wilde Zerstörung diesen Freiraum wegzunehmen und uns damit zu befrieden.

Überwachung und Kontrolle waren aber schon immer ein beliebtes Mittel, um Menschen zu unterdrücken, die sich Freiräume schaffen und für eine befreite Gesellschaft kämpfen.

Schon 1898 auf der Konferenz von Rom haben sich 21 Staaten darauf geeinigt, die Überwachung und Zerschlagung aller freiheitsliebenden Menschen zu ihrem Ziel zu machen.  Im Zuge dessen wurden Berichte über ebensolche Bewegungen zensiert, was auch heute an der Tagesordnung ist.

Sechs Jahre nach der Konferenz haben sich zehn dieser Staaten dazu verpflichtet, eine Geheimpolizei einzurichten, deren Aufgabe es war, Informationen über solche Menschen zu sammeln und ihre Strukturen zu zerschlagen. Daraus entstand 1923 Interpol.

Diese internationale Überwachung wurde immer weiter systematisch ausgebaut. Heute, in Zeiten von Europol und „Quick-Reaction-Forces“ der NATO, setzt die europäische Gemeinschaft mehr und mehr auf militärische Schlagkraft und Überwachung zur präventiven Aufstandsbekämpfung. Als Konsequenz wird in Deutschland die zivil-militärische Zusammenarbeit weiter ausgebaut.

Dies bedeutet, dass, nicht zuletzt wegen der andauernden wirtschaftlichen und ökologischen Krisen, militärische spezialisierte Kampfverbände zusammen mit THW und Feuerwehren den Einsatz im Inland gegen Demonstrationen und Aufstände intensiv trainieren. Auch die Möglichkeit der permanenten Ortung jedes einzelnen Menschen überall auf der Welt durch Handys und RFID-Chips im neuen Personalausweis können zum System der präventiven Aufstandsbekämpfung gezählt werden.

In Griechenland wurde erst kürzlich die militärische Intervention zur Bändigung der Zivilbevölkerung erprobt, als das Militär als Streikbrecher eingesetzt wurde.

Aber auch in Deutschland und auf lokaler Ebene findet das Konzept der präventiven Aufstandsbekämpfung Anwendung.

Mit Hilfe von Quartiersmanagements werden vermeintlich soziale Brennpunkte komplett überwacht. Dazu dienen nicht nur die altbekannten Methoden wie flächendeckende Kameraüberwachung und Bürgermilizen im Sinne von sogenannten “Nachbarschaftswachen”. Neu ist vor allem die enge Zusammenarbeit von Jugendamt, Sozialamt, Polizei und weiteren Behörden, zu deren Aufgaben das Durchleuchten der Bewohner_innen gehört. Diese Informationen laufen alle in den Quartiersmanagements zusammen. So kann jede Behörde auf die vertraulichen, personenbezogenen Daten der anderen Behörden zugreifen. Es entsteht ein gläserner Mensch.

Somit ist es möglich, Kinder schon in der Schule zu überwachen und gegebenenfalls frühzeitig zu intervenieren, sollte die Gefahr bestehen, dass der junge Mensch anfängt, selbständig zu denken und sich zu wehren.

Sollte das Stadium der jugendlichen “Lenkbarkeit” jedoch versäumt (oder überstanden) sein, ist es den Kontrollorganen möglich, Druck von anderer Seite auszuüben, in dem systematisch ausgegrenzt wird, z.B. werden rassistische Ressentiments herangezogen.

Trotz all der krassen Entwicklungen sollten wir uns nicht entmutigen lassen.

Zu allen Zeiten haben immer wieder Menschen in den unmöglichsten Situationen Widerstand geleistet.

Die Klage gegen ELENA – also gegen die zentrale Speicherung von Daten über Arbeitnehmer_innen – ist z.B. eine Möglichkeit, sich gegen neue Einschränkungen der Freiheit zu wehren. Vergessen werden darf jedoch nicht die zur Normalität gewordene Einschränkung des Lebens durch demütigende und alles durchleuchtende Praktiken des Jobcenters, der Ordnungsämter, der Quartiersmanagements oder auch einfach der morgendliche Terror des Weckers, der zur Arbeit ruft.

Wir wollen uns nicht mit immer neuen Methoden überwachen, kontrollieren, einteilen und disziplinieren lassen. Doch genau so wie wir uns gegen die neuesten Entwicklungen der Sicherheitsarchitektur wehren, wollen wir für eine freie Gesellschaft kämpfen und dem Wahnsinn, der Normalität geworden ist, entschlossen entgegentreten.

Denn Freiheit kann nur in einer anderen, antikapitalistischen Gesellschaft Wirklichkeit werden!

Wir lassen uns nicht Befrieden!

Kampf der Überwachung heißt auch Kampf dem System!