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Archiv June, 2022

In diesem Text wollen wir einen Überblick über die rechtliche Situation der Rigaer94 geben. Die Aktenordner füllen sich einmal mehr mit den intensiven Bemühungen einiger Immobilienspekulant*innen uns loszuwerden, gestützt und eifrig begleitet von Politik und Bullen.

Der Brexit, Briefkastenfirmen und Bürokratie

Mittlerweile dürfte auch dem*der letzten klar geworden sein, dass es in der Dokumentendruckerei der Lafone Investments Limited noch immer nicht die langersehnte Schablone einer “echten” Vollmacht gibt. So legten Bernau und von Aretin einmal mehr einen Wisch vor, für den es vom Gericht keine Lorbeeren gab.

Das liegt zuerst einmal daran, dass es nach dem Brexit nicht mehr so einfach ist, als Firma mit Sitz in Großbritannien auch in Deutschland sein Unwesen zu treiben. Besser läuft es einen Briefkasten in Luxemburg zu haben wie es die “Firman Properties S.a.r.l.” vorgemacht hat, die die Kiezkneipe Syndikat 2020 räumen ließ. Oder man müsste sich zu einer deutschen Personengesellschaft umfunktionieren. Weil der “Eigentümer” – den der als vermisst gemeldete Grossprecher Tom Schreiber (SPD) und auch der RBB schon getroffen haben wollen – aber lieber anonym bleiben möchte, stehen große Schritte der Lafone nicht auf der Tagesordnung. Und das, obwohl schon 2016 die bürgerliche “WELT” und 2022 ihr linkes Pendant “die junge welt”, dieses Mal im Interview mit unserem Anwalt, Leonid Medved als den wahrscheinlichen “Eigentümer” nannten.

Einen kleinen Schritt in Richtung unternehmerischer Umstrukturierung soll es dennoch geben. Und so handelt es sich bei der Lafone seit kurzem nicht mehr um eine sogenannte “schlafende” Firma ohne Einkommen oder Ausgaben. Vielmehr suggerieren Zahlungen auf das Konto den Eingang von Mietzahlungen. Vielleicht reichts, dachte sich der schlaue Unternehmensberater.

Kadterschmiede und Keimzelle

Am 7. Februar fand der vierte Prozess gegen Kadterschmiede und Keimzelle im besetzten Erdgeschoss unseres Hauses statt, bei der dieses Mal von Seiten der Richterin ein Vergleich vorgeschlagen wurde. Die Briefkastenfirma hätte dabei auf rückwirkende Forderungen von Mietzahlungen verzichtet und der Verein “Freunde der Kadterschmiede” ab diesem Jahr einen Mietvertrag abgeschlossen, um 650€ Miete monatlich zu zahlen. Wir entschieden uns dagegen, den Vergleich anzunehmen.

Da die Prozessbevollmächtigung der Anwälte Bernau und von Aretin weiterhin von unseren Anwält*innen angezweifelt wird, konnte sich das Landgericht nicht dazu durchringen, “inhaltlich” über die besetzten Räume zu verhandeln und erklärte die Räumungsklage am 21. März zum vierten Mal seit 2016 als unzulässig. Wie zu erwarten war, wird dieses Urteil nicht das letzte sein. Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt und es wird zu einer Verhandlung vor dem Kammergericht kommen. In einer Eilentscheidung zur Brandschutzbegehung 2021, bei der nur oberflächlich die rechtlichen Verhältnisse geprüft wurden, entschied sich die gleiche Kammer des Gerichts dafür, die Prozessbevollmächtigung der Anwälte anzuerkennen. Ob die Justiz also letztendlich dem politischen Druck von Oben nachgibt und einer Räumung von Kadterschmiede und Keimzelle zustimmt, bleibt abzuwarten. Es würde uns aber nicht überraschen.

Das Haus bleibt fit oder: die weiteren Räumungsklagen gegen Wohnungen

Am 29. März entschied das Amtsgericht Kreuzberg, dass der “Sportraum” im 2. OG unseres Hinterhauses bis Ende Juni geräumt werden soll. Da hier die Prozessbevollmächtigung nicht angezweifelt wurde, kam es zu einer “inhaltlichen” Entscheidung. In ihrem Urteil beruft sich das Gericht grob gesagt auf einen “Vertrauensbruch” zwischen Mieterin und Vermietung. Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt.

Bei den Klagen, die gegen die seit 1992 bestehenden Mietverträge als auch gegen Personen, die durch die Razzia vom Oktober 2021 hinzugefügt wurden, geführt werden, herrscht überwiegend Funkstille. So wollen mehrere Richter*innen des Amtsgerichts wohl nicht der Entscheidung des Kammergerichts zum oben genannten Verfahren (Kadterschmiede/Keimzelle) vorgreifen. Lediglich am 24. Juni steht ein Prozesstermin an, gegen eine Wohnung im 4. OG des Hinterhauses.

Zudem haben eine knappe handvoll Mieter*innen des Hinterhauses ihre Verträge gegen den Willen des Kollektivs, in Absprache mit Bernau aufgehoben. Gegen diese Wohnungen laufen dennoch Räumungsklagen, jedoch nur gegen Personen, denen die Räume während der Razzia durch die Bullen zugeordnet wurden.

Von Brandschutz bis zum Innensenat

Nicht einmal mehr eine Fußnote in den Pressetexten ist das Thema “Brandschutz” wert, das uns vor allem letztes Jahr begleitet hat. Wie wir damals schon anmerkten, ging es von staatlicher Seite nie um die Sorge um unser Leben, noch um das unserer Nachbar*innen. Der Brandschutz war nur Deckmantel für einen Räumungsversuch, eine über Jahre ausgetüftelte Hintertür, um uns loszuwerden. Mittlerweile ganz dazu verstummt, versuchen Bullen, Senat und auch Bezirk Gras über die Operation wachsen zu lassen. Auch die recht kurz aber spektakulär geführte Diskussion um unseren Tunnel nach der Razzia im Oktober 2021 rief nur vorübergehend Statiker*innen auf die Tagesordnung. Und auch wenn einer der zahlreichen von den Grünen eingeführten “Pop-Up-Radwege” nun ein paar der eingebrannten Spuren im Asphalt überdeckt, sind wir mit Sicherheit nicht allein, wenn wir uns an die heißen Tage im Juni 2021 erinnern.

Nicht unbemerkt ist auch die bis dato ziemlich unscheinbare Innensenatorin Iris Spranger (SPD) geblieben, die mehr und mehr versucht ihr Profil zu schärfen. So verspricht sie eine Bullenwache am Kotti, den Kampf gegen “kriminalitätsbelastete Orte” und “Linksextremismus”. In den nächsten Jahren ihrer Amtszeit werden wir sicher auch mit einem Versuch ihrerseits, sich mit einer harten Hand im Umgang mit der Rigaer94 und rechtsfreien Räumen zu profilieren, konfrontiert werden. Wie ihr Vorgänger Andreas Geisel (SPD) beruft sie sich aber auch auf die bei den Sozialdemokrat*innen beliebte Rechtssicherheit und hofft auf Entscheidungen der Justiz, die den “Eigentümer” legitimieren und ihr somit einen Angriff auf die Rigaer94 ermöglichen könnten.

Geschichte und unsere Verantwortung

Warum wir auf den oben genannten Vergleich nicht eingegangen sind, wollen wir kurz erklären. Weder hätte dieser fürs ganze Haus gegolten, gegen deren Mietverträge weiterhin Räumungsklagen laufen, noch liegt es in unserem Interesse “Anwälte” und “Hausverwalter” durch Verhandlungen und Verträge zu legitimieren. Wir werden keinen Vertrag mit einem Konstrukt von Briefkastenfirmen abschließen, das durch die Verschleierung, wer eigentlich der “Eigentümer” ist, der ungehinderten und unangreifbaren Spekulation mit Wohnraum dient. Die Mietverträge, die in diesem Haus existieren, sind ein Produkt der Legalisierungswelle besetzter Häuser nach der Räumung der Mainzer Straße 1990. Seitdem wurde unser Haus mehrfach weiterverkauft, mit dem Wohnraum spekuliert und dem Hauskollektiv zwischendurch die Möglichkeit des Selbstkaufens angeboten. Das wurde 2014 nach etlichen Stunden der Diskussion abgelehnt und ausführlich begründet, hinter dieser Entscheidung stehen wir immer noch. Statt einer fortschreitenden Legalisierung der Rigaer94 sind in den letzten Jahren eher mehr Räume besetzt worden. Ihre Verteidigung in Konfrontation mit kapitalistischen Eigentumsverhältnissen und Ordnungsmacht stehen für uns im Zusammenhang eines größeren revolutionären Kampfes gegen Ausbeutung und Unterdrückung. Es ist deswegen nicht in unserem Interesse, nur einen einzelnen autonomen Raum und seine Infrastruktur zu sichern und uns nach getaner Arbeit zufrieden zurückzulehnen. Die bewegenden Momente vom Sommer 2016 bis zur Brandschutzbegehung 2021, bei denen unzählige von Euch ihre Kämpfe mit dem unseren verbunden haben, vermitteln eine Geschichte des Widerstandes, für deren Fortbestehen wir uns einsetzen. Die staatlichen Versuche, in einem Konflikt zwischen Privateigentum und deren Vertreter*innen einerseits und Mieter*innen andererseits zu vermitteln und diesen zugunsten des Fortbestehens der herrschenden Ordnung zu befrieden, müssen wir durchschauen und uns ihnen gemeinsam und solidarisch widersetzen.

Eure Rigaer94

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  • Kategorie: Statements
  • Ein Jahr Räumungsversuch

    Es ist bald ein Jahr her, dass der Staat und seine Schergen einen weiteren groß angelegten Angriff, einen Räumungsversuch auf unser Haus, die Rigaer 94, versuchten. Das vorgeschobene Argument des „Brandschutzes“ diente der Politik als Legitimierung, den Kiez durch die Errichtung einer so genannten „roten Zone“ in den autoritären Ausnahmezustand zu versetzen, um am 17. Juni ungestört an und in das Haus zu gelangen.

    Hoch lodernde Barrikaden und ihre Verteidigung kamen der roten Zone zuvor, auch am nächsten Tag brach der Widerstand aus dem Haus heraus nicht ab. So wurde durch den direkten Konflikt mit Passivität und der Opferrolle gebrochen.

    Der Jahrestag soll als Anlass genutzt werden, um in Erinnerung zusammen zu kommen, zu diskutieren und in geselliger Atmosphäre ein Fest zu feiern.

    15:00 – Büchertische/Lesestoff und Soli-Flohmarkt für im Zuge des 17. Juni von Repression Betroffene

    17:00 – Diskussion über die Gestaltung und Verteidigung von befreiten Territorien

    20:00 – Food & Drinks

    21:00 – Rebetiko-Konzert

    Parallel dazu: Tattoos!

    Sei bitte aufmerksam gegenüber übergriffigem und Dominanzverhalten und sprich es an, wenn du es mitbekommst. Am Infotisch wird es feste Ansprechpersonen dazu geben. Ansonsten kannst du auch auf die Leute hinter der Bar, an der Haustür oder andere Besucher*innen der Veranstaltung zugehen.


    One Year After the Eviction Attempt

    Soon it will be a years time since the state and its lackeys attempted a large-scale attack, an eviction attempt on our house, the Rigaer 94. The excuse of “Fire Security” served politics as a legitimization to set the neighborhood into an authoritarian state of emergency by erecting a so-called “red zone”, to make an unimpeded entrance of the house possible.

    Blazing barricades and their defense preempted the red zone, on the next day the resistance from within the house still didn’t break away. This direct conflict was able to reject passivity and victimization.

    The one-year-anniversary will be an occasion to come together in remembrance, to discuss and to celebrate in a sociable atmosphere.

    15:00 – Distro/info-tables and flee market for costs of people facing repression after the 17th of June

    17:00 – Discussion on the organization and defense of liberated territories

    20:00 – Food & drinks

    21:00 – Rebetiko-concert

    Meanwhile: Tattoos!

    Please be alert concerning border-crossing and dominant behavior, bring it up when you notice something. At the info-table there will be people that can be approached. Otherwise you can also approach the people behind the bar, at the door or other visitors of the event.

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