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20 Jan 2016
Seit Monaten werden wir als Kiez zwischen Bersarinplatz und Voigtstraße, zwischen Eldenaer Straße und Frankfurter Allee belagert. 5 Tag lang war der Block um den Dorfplatz nun komplett von Bullen besetzt.
Egal ob Anwohner_in oder Besucher_in, ob auf Hunderunde oder nur mal kurz zum Bäcker gegenüber. Jedes Bewegen zwischen den Bullenwannen, welche die Straßen blockieren, wird zur Tortur. Ausweiskontrollen und Personendurchsuchungen sind an der Tagesordnung. Menschen, die nicht in der Rigaer/Liebig wohnen, sich aber gerne hier aufhalten, bekommen Platzverweise und dürfen sich für 48 Std. nicht mehr in den Straßen aufhalten.
In den letzten Tagen wurden die Häuser Liebigstraße 34, Liebigstraße 15, Liebistraße 16, Liebigstraße 17, Rigaer Str. 93, 94, 95, 96, Samariterstraße 33 durchsucht. Richterliche Beschlüsse gab es dazu, soweit wir wissen, in keinem der Fälle.
Der nächste Schlag ließ nicht lange auf sich warten. Sonntag Mittag hatten wir zu “Kuchen statt Henkel” geladen. Ab 14 Uhr wollten wir uns mit all den Helfer_innen, die uns die letzten Tage massiv unterstützt haben, zu Kaffee und Kuchen (an dieser Stelle vielen Dank an Vegan Explosion – die Torten waren saugeil) treffen. “Ganz zufällig” wurde Leuten ab 14 Uhr der Zugang zu unserem Zuhause, der Rigaer 94, verwehrt. In angeblicher Absprache mit dem Hausbesitzer John Dewhurst alias “die Wurst”, sollten der Hof und der Durchgang von “Baumaterialien befreit werden”. Während dieser sogenannten Maßnahme fiel ein Müllsack 10 Meter entfernt von den Bullen auf den Boden.
Dies allein reichte als Legitimation, um erneut das Haus zu stürmen. Wieder kaputte Türen, wieder Bullen in den Wohnungen und wieder Beschlagnahmungen.
Kein Bock aber Widerstand!
Sehr viele Menschen haben uns die letzten Tage tatkräftig unterstützt. “Tischler_innen ohne Grenzen” haben sich am Mittwoch bereit gehalten und so lange ausgeharrt, bis sie uns früh am Morgen, als die Bullen aus dem Haus waren, wieder Eingangstüren einbauen konnten. Bau- und Heizmaterial, Geld, Feuerlöscher, Kuchen und offene Ohren etc. kamen uns von allen Seiten zu.
Was nach dieser Angriffsserie wohl noch lange nachwirken wird, ist das Gefühl von enger Solidarität in tiefer Verbundenheit. Die Menschen im gesamten Kiez, von Bäcker_in über Postbote_in, Spätibesitzer_in, Hausprojekten, Küfagruppen, Nachbarinnen und Nachbarn unterstützen sich gegenseitig und schaffen ein starkes Netz nachbarschaftlicher Solidarität. Wir wollen uns noch einmal ausdrücklich für alle helfenden Hände bedanken und freuen uns über die gegenseitige Unterstützung untereinander!
Unmut bis hin zu Hass gegen die Besatzungsmacht, hat sich von der Rentnerin bis zum Kindergartenkind durch alle Schichten und Altersgruppen entwickelt und wird unter dem Eindruck der letzten Tage und Wochen wohl auch nicht mehr vergehen.
Wir trotzen den Zermürbungs- und Einschüchterungsversuchen der Bullen und bleiben widerständig im Kampf gegen das Scheiß-System. Die letzten Tage haben uns noch enger zusammengeschweißt. Wir lassen uns nicht unterkriegen!
Was es jetzt braucht, ist das Zusammenbringen von Wut und Solidarität und das Vorantreiben unseres gemeinsamen politischen Kampfes.
Die staatliche Exekutive auf den Straßen im Kiez scheint übermächtig, jedoch ist Berlin nicht ausschließlich Friedrichshain und ein solidarisches Miteinander in einer freien Gesellschaft findet nicht nur am Dorfplatz statt. Unsere Kämpfe dürfen sich nicht an Kiez-, Stadt-, Landes- oder sonst irgendwelchen Grenzen aufhalten lassen. Der Staat greift Strukturen in ganz Berlin an, gerade sind HG im M99, unsere Freund_innen der Friedel54 und der Köpi-Wagenplatz ein Dorn im Auge der Aufwertungspolitik und akut räumungsbedroht. Die Bullen machen nicht einmal mehr einen Hehl daraus, dass sie die Gentrifizierung (mit-)nutzen, um gegen alternative Strukturen vorzugehen.
Antifa Area statt rassistischer Alltag!
Die derzeitigen Gegenangriffe des Staates zielen auf selbstverwaltete, rebellische Strukturen im Allgemeinen. In dieser Phase der deutschnationalen Mobilisierung, die uns fast täglich an den Rand des Wahnsinns zu treiben droht, wirkt die Polizei wie deren “Schutzstaffel”. Während Personalmangel beklagt wird, hunderte von Unterkünften für Geflüchtete brennen und zehntausende Nazis jede Woche unbehelligt auf die Straße gehen, greift eine gut organisierte Polizeimacht unsere privaten und politischen Räume an. Diese offensichtliche Absurdität haben viele erkannt.
Doch wen wundert es: ein Staat, der Menschen klassifiziert und „Minderwertige“ gewaltsam aussperrt, einsperrt und abschiebt, schafft eine Ordnung, die wir bekämpfen müssen. Wir stellen damit natürlich diese gesamte Gesellschaft in Frage und leben nicht in der Illusion, dass alles so bleiben kann, wie es ist. Wir sind die Feinde all derer, die im Namen der Demokratie und der Nation über Menschen reden wie über willenlose Ware, die hierhin und dorthin geschoben werden kann. Und wir sind die Feinde derjenigen, die den Knüppel in die Hand nehmen, um dem deutschen Abschaum zu dienen.
Da passt es nur all zu gut in das Bild, dass bei der ersten Razzia am Mittwoch unsere Feuerlöscher geklaut wurden, nur um die zweite Razzia am Sonntag damit einzuleiten, unsere Türverriegelungen zu zerstören mit der Begründung des „Brandschutzes“. Wir sollten es den Schweinen verbieten, dieses Wort jemals wieder in den Mund zu nehmen. An dieser Stelle sei an vergangenen Oktober erinnert, als die Liebig34 angezündet wurde.
Hierbei sei erwähnt, dass am Folgetag der Razzia drei Nazis vor unsrer Tür auftauchten unter Anderem mit der Aussage “dieses Zeckennest ausräuchern” und Menschen filmten unter dem Vorwand einer Berichterstattung.
Gesicht zeigen gegen Bullen!
Wenn über die letzten Tage der Eindruck entstanden sein sollte, dass wir empört über die Offensive der Staatsschergen sind, dass wir uns an juristische Konstrukte klammern und dass wir nach der Presse tanzen, dann hat das zwei Gründe.
Zum Einen ist die Bedrohung für das Projekt Rigaer Straße durch die Polizei um so größer, je ungezügelter diese agieren kann. Dass wir sie nicht zurückschlagen können und dass wir nicht besser bewaffnet sind als diese, dürfte kein Geheimnis sein, auch wenn die beschlagnahmten Gegenstände durchaus “für Eindruck gesorgt haben”. Wir haben uns entschlossen, etwas zu skandalisieren, was kein Skandal ist. Wir haben durch hauptsächlich mediales und juristisches Kontra erreicht, dass die Machtbasis der Großen Koalition Schaden genommen hat. Dass sich dabei irgendwelche anderen Parteien teilweise als Verfechter der Freiheit darstellen konnten, tut uns Leid, ist in Wahlkampfzeiten aber auch nicht verwunderlich. Besonders die Linke soll vom Gefahrengebiet schweigen, dessen komische Rechtsgrundlage sie durch das ASOG in ihrer eigenen Regierungszeit gebaut hat. Dennoch: Wir glauben, zukünftige Razzien und Misshandlungen werden zwar nicht ausbleiben, zumindest jedoch zurückhaltender angeordnet werden. Die entstehenden „rechtsfreien Räume“ sind mit Kreativität und Frechheit zu füllen, so wie in den vergangenen 25 Jahren.
Der zweite Grund für das nette Gesicht, dass wir in die Öffentlichkeit gehalten haben, war die teilweise verständnisvolle Aufmerksamkeit, die uns die Medien gegeben haben. Natürlich sehen wir, dass wir hier Selbstkritik zu üben haben, begründen dies allerdings damit, dass wir uns doch recht plötzlich in einer Ausnahmesituation von ungeahntem Ausmaß befanden. Dennoch sind uns jede Meldung von solidarischen Aktionen oder Bekundungen unserer Strukturen und solidarischer Anwohner_innen ungleich wichtiger, als jede neue Schlagzeile.
Einige von Euch waren auf den Straßen aktiv. Uns haben viele Soli Aktionen und Grußbotschaften erreicht. Eine erhoffte totale Überforderung des Schweineapparates blieb jedoch aus. Zusammen mit massenhaften Aktionen auf der Straße oder Sabotage der Bullen-Infrastruktur können wir gemeinsam ein wesentlich entschlosseneres, ungezähmteres Bild zeichnen, welches diesem Kiez, jedem Kiez, immernoch am Besten steht.
Weiter geht’s, keine Atempause, Geschichte wird gemacht!
Zusammen mit allen kämpfenden Projekten und Individuen wollen wir diesen nicht ganz so katastrophalen Startschuss dieses stadtpolitischen Jahres nutzen. Es steht offenbar ein ereignisreicher Februar bevor. Die Law-and-Order-Politik meint, einen Masterplan gegen die rebellischen Strukturen dieser Stadt zu haben. Sie wollen uns zerstören. Wir halten es mit unseren Worten vom Sonntag: Wir spucken euch ins Gesicht! Nichts habt ihr! Friedel54 bleibt! HG im M99 bleibt! Köpi bleibt! Liebig 14 ist unvergessen! Wir haben da noch was in petto: Auf allen Ebenen mit allen Mitteln gegen diesen Staat! Die Gefahrengebiete leben hoch! Und: Liebe Grüße an unsere Muddis sowie Ernst, Burkhard und Daniela.