Der 8.März ist dieses Jahr das erste mal ein offizieller Feiertag in Berlin. Die Methode sich ein ursprünglich radikal-politisches Ereignis anzueignen und in einen sogenannten “Feiertag” zu verpacken, ist nichts Neues. Wir kennen sie bereits vom 1. Mai. Gerade deshalb sollten wir nicht vergessen welche Geschichte mit diesem Tag verbunden ist.
Wegen der unzumutbaren Arbeits- und Lebensbedingungen in den USA des beginnenden 20. Jahrhunderts hatten Frauen begonnen sich zusammen zu schließen. Sozialistische Arbeiterinnen in den Textilfabriken trieben die Organisierung voran und begannen einen Streik. Die Idee eines Frauenkampftages wurde daraufhin 1910 auf der zweiten sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen aufgegriffen. Nach dem Beispiel der Arbeiterinnen in den USA beschlossen 98 Frauen* diverser kultureller und geographischer Hintergründe, künftig jährlich einen Frauentag mit internationalistischem Charakter abzuhalten. Der Tag sollte die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit auf die Forderungen der Frauen* lenken.
Das Erstreiten des Frauenwahlrechts innerhalb Deutschlands jährt sich dieses Jahr zum hundertsten Mal. 100 Jahre Wahlrecht auch für Frauen* – ein Grund zum Feiern?
Einiges hat sich seither verändert, doch Gründe zum Feiern gibt es leider nach wie vor zu wenige.
Das Patriarchat ist gesellschaftlich tief verwurzelt und Sexismus ist ein wesentlicher Baustein der kapitalistischen Gesellschaft.
Wir sind weit von der Überwindung des Patriarchats entfernt und der Weg dahin ist ein täglicher Kampf. Reformen, die teils schwer erkämpft wurden und werden, führen oftmals nur dazu, dass Machtstrukturen nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden.

Reproduktionsarbeit ist weiblich konnotiert und unbezahlt. Noch immer steht sexuelle und körperliche Selbstbestimmung der binären Normierung von Mann und Frau gegenüber. Noch immer sind Frauen* und LGBTIQ* besonderen Gewaltverhältnissen ausgesetzt. Um diesen Herrschaftsverhältnissen etwas entgegenzusetzten kann es nicht um die Forderungen nach mehr gesetzlichen Rechten gehen, die an diesen Staat gerichtet werden. Es braucht Rebellion fernab von staatlichen Kategorien wie legal und illegal, die sich nicht nach einiger Zeit durch sozialdemokratische Einbindung befrieden lässt.

Der Kampf gegen das Patriarchat heisst für uns auch die Überwindung von Staat und Kapitalismus.

In diesem Sinne muss Feminismus als übergreifender Kampf um Freiheit gedacht werden und nicht, wie immer noch, auch in Teilen der linken Szene, als Teilbereichskampf um die Rechte von Frauen.

Durch unsere Sozialisation ist Sexismus und das Konstrukt männlicher Herrschaft tief verwurzelt in unserem alltäglichen Handeln.
Auch “unsere Szene” schafft es nicht, zu verhindern, dass FLTI* Personen sich immer wieder abwenden, weil sie ihre Energien im Kampf gegen Verhaltensweisen, die klar unseren Ideen widersprechen, alleine verschwenden mussten. Immer wieder stoßen FLTI* Personen an die Grenze ihrer Belastbarkeit, wenn sie mit der Dominanz von Machos, misogynem und sexistischem Kackverhalten konfrontiert werden.
Oft genug verstecken sich (vor allem) cis-männliche und männlich sozialisierte Menschen dahinter, mit einem anklagenden Zeigefinger auf einzelne, grenzüberschreitende Personen zu zeigen, als wären Sexismus und Patriarchat individuelle Probleme, ein Übel, das nur Einzelne mit sich tragen und damit der angestrebten Emanzipation im Wege stehen. Sie erklären sich anschließend solidarisch mit der* Betroffenen, doch der Anstoß zur weiteren Auseinandersetzung wird doch wieder von den betroffenen Menschen gegeben.
Für uns kann es statt dessen nur um eine stetige Auseinandersetzung, selbstkritische Reflektion und das Hinterfragen der eigenen Privilegien gehen: Das heißt offen sein für Kritik an sich selbst, aber auch den Mut aufzubringen in den eigenen Strukturen und Freund*innenkreisen Kritik anzusprechen und bereit zu sein, die erlernten Umgangsweisen zu überwinden.

Wenn wir von widerständigen Kiezen und bullenfreien Gebieten sprechen, dann heißt das unbedingt auch, nachbarschaftliche Unterschützungsstrukturen und feministischen Selbstschutz aufzubauen. Nur wenn es zugängliche selbstorganisierte Strukturen gibt können wir Menschen in Bedrängnis anbieten, dass sie ihre Konflikte selbst oder mit Hilfe dieser Strukturen lösen können statt auf institutionalisierte Machtstrukturen zurückzugreifen.
Für diesen Kampf braucht es auch Räume in denen sich FLTI* Personen austauschen, ausprobieren und organisieren können. Ein solcher Raum ist auch die Liebig34, die im Moment akut räumungsbedroht ist. Die Liebig 34 zeigt einmal mehr, dass wir unsere Kämpfe nicht getrennt von einander sehen können. Räume, die der kapitalistischen Verwertungslogik entgegen stehen und sich offen gegen patriarchale Strukturen stellen, sind ein Dorn im Auge des Staates und genau deswegen umso mehr zu verteidigen. Wir sollten diesen Angriff auf unsere Strukturen als Chance begreifen, unseren Kampf als ein Ganzes zu sehen, um unsere Strukturen zu verbinden und auszubauen.

Also heißt es für uns, am 8. März und jeden Tag Feminismus in die Strassen tragen!

Die FLTI* Demo zum Frauenkampftag fängt dieses Jahr in Lichtenberg an, ein Zeichen für die, die nicht mit uns auf der Straße sein können, die von Demos und Solidarität gegen Patriarchat und Sexismus sonst nur über Radio, Fernseher oder aus Briefen erfahren würden. Wir wollen für die Gefangenen der Frauen-JVA laut werden, denn sie sind von Sexismus betroffen und leiden unter den Regeln und Gesetzen des Patriarchats: krasse soziale Isolation, die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft, Unsichtbarkeit, sexistische und sexualisierte Angriffe von Schliesser*Innen oder Mitgefangenen.

Solidarität mit denen, die mutig und unermüdbar drinnen kämpfen!

Freiheit für alle! Nieder mit den Knästen und Fremdbestimmung!

Feuer und Flamme dem Patriarchat!

Feminism is a Call to Arms!

R94