Am 4. und 5. Februar 2020 ist es wieder soweit. Zum Jahresanfang treffen sich Bullen, Sicherheitsfanatiker*innen, Politiker*innen, Geheimdienste, private Unternehmen und deren Lobbys in geselliger Runde. Dies, um sich auszutauschen, zu vernetzen, die neuesten Waffen und Sicherheitstechnologien zu verkaufen und sich gegenseitig in der Überwachung der Gesellschaft und dem Kampf gegen die Freiheit zu bestärken.

Cybersicherheit, Grenzschutz, Rechtsextremismus u.v.m sollen dabei die Themenschwerpunkte des 22. Europäischen Bullenkongresses ausmachen. Das nun zu diesem Thema nicht nur Expert*innen, sondern vor Allem involvierte Kräfte sprechen, mag für uns nichts neues sein, ändert aber nichts an der Absurdität. Wenn wir davon hören, dass sich Vertreter*innen von Polizei, Geheimdiensten und Militär treffen, um sich mit den neuesten Waffen und Taktiken vertraut zu machen und über Grenzsicherheit, Migration und Rechtsextremismus zu debattieren braucht sich wohl keine*r mehr über den NSU und das Hannibal-Netzwerk zu wundern. Haben doch faschistische Ideale in den Sicherheitsbehörden nicht nur (aber insbesondere) in Deutschland Tradition. Bedenken wir die Kontinuität des NS-Faschismus über den BND, Gladio und andere Stay-behind-Gruppen, Wehrsportgruppen, NSU und Breivik-Nazis bis zum Hannibal-Netzwerk, so müssen wir uns auch auf den antifaschistischen Widerstand besinnen.

Dabei sind die bekennenden Nazis lediglich die Spitze des Eisberges. So sind es nicht nur die ausführenden organisierten und unorganisierten Gruppen und Strukturen auf der Straße, denen es etwas entgegen zu setzten gilt, sondern der gesamte Komplex aus Datensammeltechnologie, Sicherheitsarchitektur und Waffenkonzernen, die wie kleine Rädchen in einem komplexen  Sicherheitssystem ineinander greifen, flankiert von einer politischen Strategie der Abschottung Europas und dem Kampf gegen geflüchtete Menschen im In- sowie im Ausland, mit dem Ziel der Schaffung von Absatzmärkten und der Sicherung der Produktionsbedingungen. Die rassistisch motivierten Killer in den Reihen der Sicherheitsbehörden, deren unzähligen Morde wie jene an Hussam Fadl in Berlin-Moabit, an Ahmad A. in der JVA Kleve oder an Oury Jalloh in Dessau mit allen Mitteln gedeckt werden, sind zwar schockierend, doch vor dem Hintergrund des tausendfachen Mordens alleine an den EU-Grenzen Ausdruck deutscher Normalität.

Die Aufgaben der einzelnen Rädchen sind meist recht klar umrissen: während die Politik die Zielsetzung hat, den gesellschaftlichen Rechtsruck zu formulieren und mit den Medien auch zu verkaufen, um den gesellschaftlichen Diskurs zu verschieben sowie die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, liegt es an Bullen, Soldat*innen und privaten Sicherheitsdiensten diejenigen weiter unter Druck zu setzen, die sich außerhalb einer kapitalistischen Verwertungslogik befinden sowie diejenigen, die sich aktiv dagegen wehren, zu bekämpfen. Informationen zu diesem Auftrag erhalten die Bullen sowohl aus den Geheimdiensten, welche als vermeintliche Lehre aus dem nationalsozialistischem Faschismus organisatorisch voneinander und von der Polizei getrennt worden waren, als auch aus privaten Unternehmen, die in digitalen Zeiten mehr persönliche Daten sammeln als je zu vor. Halleleaks, Drohbriefe und das NickHein-Video seien hier als uns direkt und aktuell betreffende Beispiele der Kontinuität faschistischer Sicherheitsbehörden nur kurz erwähnt. Zu guter Letzt fügt sich nun die Rüstungsindustrie in dieses Konglomerat aus Überwachung und Repression ein. Ihre Aufgabe ist es, die nötige Hardware bereit zu stellen, um Angst vor Widerstand durch Repression schüren zu können und damit jegliche Widerstand gegen ihre Logik ersticken zu können. Der Kreis schließt sich bei der Rolle der gut organisierten Rüstungslobby und börsennotierten Konzerne wie Rheinmetall, SAP und Airbus, in deren Einflussbereich die Politik fällt. Vom einfachen Nazi, der im Auftrag der GDP spenden für den Mörder von Oury Jalloh sammelt bis hin zur Politik lässt sich auf dem europäischen Polizeikongress all das finden.

An uns Allen ist es, Angriffspunkte in diesem System zu finden. Dezentrale Propaganda- und Sabotageaktionen gegen Firmen sowie das offene und kollektive Austragen sozialer Kämpfe wie beispielsweise in Connewitz sind derzeit eine verbreitete und ausbaufähige Praxis. Für den Polizeikongress rufen wir zu Entschlossenheit und Kreativität von Einzelpersonen und Bezugsgruppen auf sowie schließlich zu einem Ausdruck des gemeinsamen Kampfes durch eine Demonstration am 31.01.2020 um 19 Uhr am Richardplatz in Berlin-Neukölln.

Zum Anderen ist es elementar, dass wir uns austauschen und Gegenstrategien entwickeln. Dazu findet vom 01.02 und 02.02.2020 jeweils ab 10:00 Uhr in der SFE in Kreuzberg der „Entsichern“-Kongress statt. Hier geht es in Diskussionen und Workshops um drei Themenblöcke: rassistische Strukturen im Staatsapparat und fehlende Gegenstrategien, Vernetzung von Anti-Repressions-Strukturen sowie um Digitalisierung.

Fight the Nazis! Fight the Cops!
Eure Rigaer94
https://entsichern.noblogs.org/