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24 Mar 2020
Am Freitag Abend wurde von den rebellischen Strukturen im Friedrichshainer Nordkiez gemeinsam mit anderen solidarischen Menschen eine Aktion gegen die neue Polizeieinheit (BPE) durchgeführt. Ziel war es, die Nachbarschaft über die Tätigkeiten der Einheit aufzuklären und zu zeigen, dass auch sie nichts daran ändern wird, dass hier ein Ort widerständiger, nicht isolierbarer Kämpfe ist.
Gegen 22:00 trafen gleichzeitig ca. 30 Leute am Dorfplatz und vor der Rigaer94 ein, um die BPE zahlenmäßig zu übertreffen. Im selben Moment begann eine Ansprache aus Lautsprechern für Anwohner*innen und Passant*innen des Straßenzugs mit Informationen über die Strategie hinter den polizeilichen Übergriffen der letzten Wochen. Außerdem wurden Flugblätter aus der Rigaer94 geworfen und Banner mit der Aufschrift “Unsere Solidarität gegen ihre Isolation” herabgelassen. Aus Nachbarhäusern wurden außerdem Bengalos gezündet.
Zahlreiche Nachbar*innen auf Balkons und Passant*innen der Rigaer und Liebigstraße hörten zu und aus der versammelten Menge wurden Parolen gerufen. Die Bullen der neuen Einheit waren sichtlich überrumpelt und konnten nichts tun als über Funk Hilfe herbeizurufen. Aus mehreren Stadtteilen wurde berichtet, dass dort starke Unterstützungskräfte der regulären Hundertschaften alarmiert wurden. Auch der Staatsschutz kam aus Kreuzberg mit Blaulicht angefahren.
Als nach mehreren Minuten die alarmierten Wannen eintrafen, zogen sich die meisten Menschen von der Straße in die Wohnhäuser zurück oder verließen den Kiez. Die Ansprachen für die Anwohner*innen und auch ein Beitrag an die Voluntäre der BPE dauerten noch ca. eine weitere halbe Stunde fort.
Durch die Aktion wurde die Moral der Freiwilleneinheit untergraben, da sie nach drei Wochen zwischen Langeweile, Angst um ihre Köpfe und sadistischem Verhalten gegen willkürlich ausgewählte Opfer völlig überrascht wurde und zu keiner Reaktion in der Lage war. Mit der Kundgebung wurde gleichzeitg viel Aufmerksamkeit erzeugt und über Details der Übergriffe der BPE, welche vielen nicht bekannt waren, informiert. Auch vermittelt werden konnte die Aussage, dass rebellische Strukturen sich trotz des Ausnahmezustands nicht unterordnen werden sondern weiterhin auf gegenseitige Solidarität setzen. Die Anwesenheit der BPE hier im Kiez wurde genauso wie die angedrohte Räumung des Syndikats als Grund genannt, unsererseits eine Ausnahme vom Verzicht auf Massenaktionen zu machen.
Am Folgetag berichteten Anwohner*innen, dass ihnen viele der Informationen aus der Kundgebung vorher nicht bewusst waren. Die BPE, die bei ihrem Abzug Freitagnacht zum Abschied nochmal auf die äußere Tür der Rigaer94 eintrat, ließ sich am Samstagabend entgegen der Regelmäßigkeit nicht blicken. Lediglich zwei Ziviautos und eine Mobile-Einsatzleitung fuhren zur Stichzeit kurz hinter einander einmal durch den Straßenabschnitt.
Hintergrund zur BPE
Verschieden Anzeichen deuten darauf hin, dass die Führungsriege der Polizei in Abstimmung mit den politisch Verantwortlichen des Innensenats eine eskalative Strategie im Nordkiez umsetzt. Ihr neues Werkzeug ist dabei die Brennpunkt- und Präsenzeinheit (BPE) in der neuen Direktion 5 (City), die erst dieses Jahr ihre Tätigkeit aufnahm und aus Freiwilligen anderer Dienststellen rekrutiert ist. Sie soll die regulären Hundertschaften entlasten, indem sie ausschließlich für die Gefahrengebiete zuständig ist. Rund um den Dorfplatz ist sie bereits durch einen ausgeprägten Hang zu Gewalt und das stundenlange Belagern der Rigaer94 aufgefallen.
Feuer in der Rigaer Straße
Kurz vor der Aktion am Freitag Abend gab es auf dem Gehweg der Rigaer Straße auf Höhe der Liebig34 ein Feuer. Dieses hatte eine größere Bullenalarmierung zur Folge und hätte fast zu einem Abbruch geführt. Interessant zu sehen war, dass es keinerlei Tatortarbeit dazu von polizeilicher Seite gab, da das Feuer augenscheinlich höchstens die Liebig34 gefährdet hätte. Die alarmierten Bullen zogen schnell wieder ab und die Aktion konnte damit planmäßig stattfinden.
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Mehr Infos zur BPE und der polizeilichen Eskalationsstrategie: https://rigaer94.squat.net/2020/03/10/berliner-polizei-bereitet-eskalati…
Video von der BPE an der Tür der Rigaer94: https://gfycat.com/impartialoblongconure-dorfplatz-liebig34-rigaer-berli…
Dokumentation einer Ansprache an die Nachbarschaft:
So, schönen guten Abend, liebe Nachbarinnen und Nachbarn!
Lange haben wir gewartet, doch jetzt wollen wir mal ein paar Dinge loswerden. Angesichts der neuen Bulleneinheit hier halten wir es für angebracht, uns mal ein wenig auszutauschen. Also kommt gerne an die Fenster und auf die Balkone.
Unser Kiez hat ein neues Problem
Wie die meisten hier sicherlich mitbekommen haben, treibt eine neue Bulleneinheit hier im Kiez ihr Unwesen. Am 4. März, gerade als das Essen in der Kadterschmiede aufgetischt war, fielen drei Transporter der Berliner Polizei in unserer Straße ein. Vor der Rigaer94 angekommen fielen die 10 bis 15 gepanzerten und vermummte Bullen aus ihren vergitterten Wagen und stürmten auf die Eingangstür zu. Sie traten mehrmals dagegen und postierten sich dann mit einem Trupp links und rechts davon. Gleichzeitig begannen sie, mit Taschenlampen die Häuser abzuleuchten und fingen Passant*innen ab, um sie mit herrischem Gebaren zu durchsuchen. Personen ohne Meldebescheinigung hier in der Gegend, erhielten Platzverweise bis zum Ende des Folgetags. Bis drei Uhr Nachts verunsicherten sie an diesem Abend die Straße und ihre Bewohner*innen. Niemand wusste so recht, was das zu bedeuten hatte. Zwar sind langjährige Anwohner*innen hier so einiges gewohnt, doch konnte sich niemand einen Reim auf den Zeitpunkt und die Art dieser Aktion machen. Am nächsten Tag berichtete der Springer-Reporter Axel Lier in einem Propagandabeitrag von einem entschlossenen Einsatz in der Rigaer Straße. Er hatte den ganzen Abend die Aktion begleitet.
Zwei Tage später wiederholte sich das ganze Spektakel. Wieder kamen die Transporter, wieder sprangen die selben Vollgepanzerten aus den Wägen und gegen die Tür der Rigaer94. Wieder dauerte der Einsatz Stunden – genau gesagt von kurz nach acht bis drei Uhr Nachts – eine ganze Schicht also – geschlagene 8 Stunden! Langsam dämmerte uns, dass dies ein neues Polizeikonzept sein sollte: eine Einheit, die nur für die Straße zuständig ist – die ausschließlich mit Brutalität gegen diejenigen vorgehen soll, die sich hier nicht vertreiben lassen. Und an diesem ihrem zweiten Abend im Kiez zeigten sie, wozu sie fähig sind: eine Gruppe von jungen Erwachsenen mischte sich ein, als jemand von den Bullen festgehalten wurde, um ihn zu durchsuchen. Die jungen Erwachsenen wurden noch auf der Straße geschlagen und zwei von ihnen in die Transporter gezerrt. Das Schaukeln der Transporter, was von Umstehenden bemerkt wurde, rührte von den Schlägen, die die zwei Festgenommenen erleiden mussten. Die Betroffenen dieser Polizeigewalt sind uns bekannt. Einer von ihnen musste ins Krankenhaus um eine Kopfplatzwunde zu nähen, beide haben Anzeigen wegen Widerstands bekommen. Auch an diesem Abend war wieder die B.Z. mit dabei und berichtete von einem erfolgreichen Einsatz.
Am nächsten Tag wiederholte sich das ganze und seit dem, die dritte Woche in Folge also, kommt die neue Einheit jeden Mittwoch, Freitag und Samstag um kurz nach Acht bis ein oder gar bis 3 Uhr. Über die Zeitungen wurde dann irgendwann offiziell gemeldet, dass eine neue Einheit in der Stadt unterwegs ist. Sie wird Brennpunkt- und Präsenzeinheit genannt und sie ist nur in den sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten, also den Gefahrengebieten, eingesetzt. Die Rekruten sind alle freiwillig in dieser Einheit, sie haben sich also dazu entschieden, hauptsächlich Nachts und am Wochenende zu arbeiten. Das sagt schon viel über deren Charakter aus: es sind größtenteils junge, politisch aufgehetzte Burschen, die gerne Afrikaner im Görli jagen, arabische Clanmitglieder am Hermannplatz vom Parken in zweiter Reihe abhalten und natürlich Zecken klatschen in der Rigaer Straße. Das mag jetzt überspitzt klingen, doch DAS ist ihr Jargon und ihre Ideologie.
Doch ihr aggressives Auftreten ist kein Unfall der letzten
polizeilichen Strukturreform. Die Führungsstruktur ist anscheinend
straff und ihr Verantwortlicher vor Ort ist ein alter Bekannter in
diesem Kiez mit einigen Sternchen auf der Uniform. Bei ihm handelt es
sich um Herrn Pohl, der 2016 bei der versuchten Räumung der
Kadterschmiede mit der Führung der Bauarbeiter, Securities und
Staatsbeamt*innen betraut war. Über die gesamten drei Wochen war er
damals vor Ort und in der Rigaer94 und einige seiner grauen Haare
dürften aus dieser Zeit stammen, als seine Hoffnung auf einen Sieg hier
im Nordkiez unter unserem nachbarschaftlichen Widerstand begraben
wurden.
Der Räumungsversuch und die polizeiliche Belagerung wurden
im Juli 2016 sogar vor Gericht für illegal erklärt und Herr Pohl hätte –
falls sich jemand dafür interessiert hätte – aussagen können, dass die
angebliche Unterstützung von Bauarbeiten des Hauseigentümers eigentlich
eine von langer Hand geplante Wahlkampfaktion der rechten Hardliner in
Polizei und Politik waren. Diesen cholerischen Überzeugungstäter aus der
Wedekindwache jetzt an die Spitze der neuen Einheit für unseren Kiez zu
lassen, bedeutet nichts anderes als die Fortführung des Sonderrechts,
das hier seit 2015 mal für alle Anwohner*innen, mal für einzelne
vermeintliche Protagonisten des Widerstands gilt.
—
Die Regierung bedient sich also mal wieder der Aggressionen und des
Spieltriebs ihrer staatstreuen Jugend in Uniform. Abgesehen davon, dass
sie scharfe Waffen tragen und ihre Gefährlichkeit bereits unter Beweis
gestellt haben, verhält sich die neue Truppe wie ein Kindergarten.
Diejenigen unter uns mit Fenstern zur Straße konnten in den letzten drei
Wochen beobachten, wie die übercoolen vermummten, behelmten und mit
Plastikschilden ausgestatteten Kerle alles und jeden mit ihren
Taschenlampen anleuchten, wie sie an der Rigaer94 Scheinangriffe
durchführen, gegen die Türen schlagen und treten, wie sie schwere
Gegenstände vor die Haustüre legen, um den Zutritt zu erschweren und wie
sie Mutproben im Eingangsbereich durchführen. Wenn sie keine
Aufmerksamkeit bekommen, werden sie ungeduldig oder langweilen sich
sichtlich. So hat es sich auch zugetragen, dass sie in der Hausnummer 95
einen Einsatz gegen eine angebliche Ruhestörung durchgeführt haben, bei
der sie um 9 Uhr Abends Anwohner*innen die Boxen einer Musikanlage aus
ihrer Wohnung klauten. An einem anderen Abend haben sie sich Zutritt zur
Rigaer Straße 93 verschafft, haben sich dort vermummt ins dunkle
Treppenhaus gestellt um auch dort die Anwohner*innen zu verängstigen.
Offenbar
dachten sie, dass sie hier berühmt werden; wenn sie genug provozierten,
könnten sie die Lage eskalieren. Doch auf ihre Spielchen hat hier
niemand Lust, nicht weil Spielen keinen Spaß macht, sondern weil sie die
Uniform einer Mörderbande tragen. Wann hier in der Straße gespielt
wird, das bestimmen die Menschen, die hier Leben – nicht diejenigen, die
voll herrenmenschlichem Habitus Angst, Vertreibung und Tot bringen. Ihr
Mord an Maria im Südkiez ist gerade mal zwei Monate her und er ist
genauso wenig Vergessen wie diejenigen, die von ihnen totgefahren
wurden, wie diejenigen, die mißhandelt oder vergewaltigt wurden.
Auch sollte nicht der größere Rahmen der staatlichen Strategie hier im Kiez vergessen werden. Vor Jahren hat es ein Polizeisprecher mal auf den Punkt gebracht: durch Gentrifizierung sollen die Autonomen aus dem Kiez gedrängt werden. Die Rigaer94 und die Liebig34, die hier mal wieder im besonderen Fokus der polizeilichen Aufmerksamkeit stehen, sind Orte des Widerstands gegen genau diese Gentrifizierung. Damit sind sie Orte des rebellischen Kiezes, der sich hier seit 30 Jahren gegen den Ausverkauf, die Verdrängung und den generellen Angriff auf ein freies, gutes Leben zur Wehr setzt. Die Gentrifizierung muss als gesamtheitlicher Ansatz der Säuberung der Stadt verstanden werden; steigende Mieten gehen dabei einher mit Gewalt gegen Andersdenkende und an den gesellschaftlichen Rand gedrängte.
So sollte klar sein, dass der jetzige erneute Einsatz einer unverhohlen gewalttätigen Truppe hier im Kiez mit der anstehenden Räumung der Liebig34 zusammenhängt. Seit Jahren hoffen die Patriarchen, die diese Stadt unter sich aufteilen und sich Spenden in sechsstelligen Höhen zuschieben, endlich auf einen durchschlagenden Erfolg gegen diesen Kiez, weil hier die Utopie lebt, die das Potential zur Vernichtung ihrer Macht in sich trägt. Wie zahlreiche andere Ort, die der kapitalistischen Verwertungslogik wenigstens noch ein Fünkchen Hoffnung entgegenzusetzen haben, so ist auch die Liebig34 unmittelbar von Räumung bedroht. Bereits zweimal konnte der Prozess, der zum Räumungstitel führen wird, versaut werden. Doch am 30. April soll es wieder so weit sein. Der Eigentümer Padovic und die Regierung – davon sind wir überzeugt – werden keinen Moment zögern, die Räumung auszuführen – Wenn ihnen nicht vorher Angst und Bange gemacht wird.
Um entstehende Unruhe im Keim zu ersticken, haben wir jetzt eine Einheit, die die Verbindungen in der Nachbarschaft unterbrechen soll. Die Belagerung der Eingangstür zur Rigaer94 soll Aufständigsche schlicht und ergreifend isolieren. Wenn niemand mehr rein- und rausgehen kann, dann kann die Kadterschmiede und der Jugendclub „Keimzelle“ nicht mehr funktionieren. Hinterhältiger noch ist jedoch die Idee hinter der neuen Brennpunkteinheit, ein Szenario zu kreieren, in dem die Gegend um den Dorfplatz unattraktiv für einen Großteil der Bevölkerung wird. Alleine die Präsenz der vollvermummten, bewaffneten und gepanzerten Polizei wirkt abschreckend. Noch dazu könnte der Eindruck entstehen, dass sich die Rigaer94 oder die Liebig34 in einem Kleinkrieg mit den Bullen befindet. Natürlich ist es wichtig, die handgreifliche Auseinandersetzung um die Straße nicht abzulehnen. Doch diejenigen, die sich in diese hineinbegeben, tun dies weil sie hier leben und weil sie wissen, dass der Polizeiknüppel letztendlich der verlängerte Arm des in jeder hinsicht autoritären Staates ist.
Und so wie schon in den Jahren zuvor sind wir zuversichtlich, dass wir ein Mittel gegen diese erneute Aggression des Staates finden werden. Ob gewaltfrei oder militant, wichtig ist es jetzt Widerstand zu leisten. Verteidigen wir die Liebig34, verteidigen wir die Kadterschmiede und den Jugendclub Keimzelle gegen Investoren und gegen den herrschsüchtigen Staat mit seinen willigen Vollstreckern! Solidarisieren wir uns mit all den Nachbar*innen, die von der permanenten Bullenpräsenz rund um den Dorfplatz betroffen sind – aber auch mit den Menschen, die in anderen Gefahrengebieten zum Ziel von Polizeigewalt werden!