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8 Jun // php the_time('Y') ?>
In Berlin geht es heiß her. Menschen versuchen auf verschiedenen Ebenen und mit verschiedenen Mitteln, die herrschende Normalität – bestehend aus der alltäglichen Gewalt der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und der eigenen ständigen Reproduktion dieser Ordnung – offensiv anzugreifen. Eine Methode, diese Normalität zu verschieben, zu durchbrechen, ist die Raumaneignung. Sei es, Wohnen als Grundbedürfnis anzuerkennen und dem „normalen“ Miets-Verhältnis eine Absage zu erteilen, das Straßenbild im eigenen Umfeld selbst zu gestalten mit Farben, Postern, Liegestühlen und Feuertonne, sich an Orten wie dem Dorfplatz zu treffen ohne viel Geld ausgeben zu müssen für das gemütliche Beieinander oder sei es durch militante Angriffe gegen die kapitalistische Stadtumstrukturierung. Aus unserem Leben das machen, was WIR wollen.
Leider zieht das Rütteln an der Ordnung der Dinge in dieser Gesellschaft oft unbequeme Folgen nach sich: die staatliche Kontrolle steigt, Polizei (in zivil, Wannen und Streifen) wird zum ständigen Begleiter des bunten Lebens im Kiez. Sie versucht, die für sie zum Teil unkontrollierbaren Situationen zu verhindern. Da, wo Widerstand und Angriffe stattfinden, steigt auch die Repression.
Seit Monaten reagieren die „Ordungshüter“ extrem empfindlich, sobald sich größere Menschengruppen, die ins vermeintliche Feindbild passen, auf der Straße aufhalten. Diese werden – auch einzeln angetroffen – vermehrt schikaniert.
Die Polizei steht vor allem wegen der vielen brennenden Autos unter massivem Druck. „Erfolgreiche” Festnahmen konnten sie bis vor kurzem nicht verbuchen.
Politiker_innen und Medien sind sich einig: Es muss ein Ende geben; Es
müssen Beispiele statuiert werden; Jemand muss für das Ganze bezahlen; Köpfe müssen rollen. Die Hetze nimmt jeden Tag zu, allerdings Hand in Hand mit den anonymen Angriffen.
Am Montag den 18.05.09 hat die Presse schließlich ihr Fressen gefunden: unsere Genossin Alex wurde von der Polizei festgenommen und beschuldigt, einen versuchten Brandanschlag auf ein Auto in der Liebigstraße begangen zu
haben. Während eines spät abendlichen Einkaufs festgenommen, wurde sie zunächst wieder entlassen, weil sich der Tatverdacht nicht erhärtete.
Daraufhin begann die mediale Hetze: Wie könne es sein, dass eine scheinbar verdächtige Person auf freien Fuß kommt? Politiker_innen jeder Coleur gaben ebenfalls ihren Senf dazu und schlossen sich dem Chor nach „konsequentem Durchgreifen und Bestrafen“ an.
Zwei Tage lang dauerte diese Hetze, bis sie schließlich ihr Ziel erreichte: Die Polizei setzte ihr Handeln dies bezüglich fort, indem sie eine Hausdurchsuchung bei Alex durchführte, wobei vermeintlich „eindeutige Beweise“ gefunden worden sein sollen. Diese sollten für die Ausstellung eines Haftbefehls reichen, welcher schließlich von stadtbekannten Zivilbeamten durchgesetzt wurde.
Seit Mittwoch, den 20.5. sitzt Alex wieder. Am Donnerstag, den 21.5. ordnete der Haftrichter die U-Haft für sie an.
Dem Befehl der Medien und der Politik wurde gefolgt: Endlich gibt es einen
Sündenbock, der es ermöglicht, die Bullen wieder einmal als Held_innen der Ordnung darzustellen. Denn sie haben es nun geschafft, eine Person einzuknasten.
Eine weitere Genossin liegt nun in den Klauen der Behörden. Eingesperrt in eine Zelle, Gitter vorm Fenster, schlechtes Essen, graue Mauern, weit entfernt von ihren Freund_innen und Genoss_innen, ihrer Alltäglichkeit und ohne das Wissen, wie lang dieser Zustand anhalten wird.
Ihr, genauso wie Christian S., den Gefangenen des ersten Mai und allen
anderen, gilt unsere uneingeschränkte Solidarität.
Jetzt zu schweigen wäre fatal, sich einschüchtern zu lassen noch mehr. Es ist das Ziel von Repression, Menschen einzuschüchtern und ihnen ein Gefühl der Ohnmacht gegenüber staatlicher Herrschaft zu vermitteln. Doch wir können diese Repression mit Solidarität bekämpfen!
Die Solidarität muss organisiert werden, vielfältig, offensiv, für Alex,
genauso wie für alle Anderen, ohne dabei zu vergessen, dass Knäste und
andere Einrichtungen, die zur Unterdrückung von Menschen dienen, zu Baulücken werden müssen.
Die Behörden werden nun sicherlich versuchen, weitere “Erfolge” zu
verzeichnen, weitere Ermittlungen können nicht ausgeschlossen werden,
genauso wie weitere Konstrukte, Hausdurchsuchungen und so weiter. Es heißt, sie möchten ihr Umfeld gut „durchleuchten“. Getroffen hat es diesmal Alex, jedoch hätte es jede_n von uns treffen können, das dürfen wir nicht vergessen.
Wir müssen alle unsere Augen offen halten und nun wieder einmal mehr unsere Ablehnung gegen die kapitalistische Gesellschaft aktiv zeigen.
Bereit, weitere staatliche Angriffe zurückzuschlagen.
Bereit, Solidarität in ihrer vielfältigen Art und Weise auszuüben.
Bereit, unseren Kampf für eine befreite Gesellschaft voranzutreiben.
Freiheit für Alex.
Freiheit für Christian S.
Freiheit für alle.
Rigaer94
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20 Jahre Wohnprojekt – was heißt das eigentlich?
Was heißt es für uns, als Bewohner_innen der Rigaer 94, in einem teilweise besetzten politischen Hausprojekt zu wohnen? Wir wollen selbstbestimmt und gemeinschaftlich leben und dabei unseren Alltag zum Ausgangspunkt für den täglichen Kampf um ein menschenwürdiges Leben machen. Dabei geht es uns nicht nur um unsere eigene Existenz, sondern um eine wirklich freie Gesellschaft. Ein kleines Stück dieser großen Utopie wollen wir hier und jetzt leben, ohne auf bessere Zeiten zu warten. Es ist ein Versuch, der voller Widersprüche steckt und uns auch schon so einiges Kopfzerbrechen bereitet hat. Unsere sozialen Beziehungen und das Gemeinsame der autonomen Subkultur geben uns Kraft, um das oft so unmöglich Erscheinende zu wagen. Doch gleichzeitig schafft die Subkulturalität eine Kluft zu vielen Menschen, deren Ziele den unseren gleichen. Dabei finden wir es doch so wichtig, der staatlichen Strategie der Spaltung herrschaftskritischer Kämpfe etwas entgegenzusetzen und die gewaltförmige Normalität der kapitalistischen Gesellschaft mit Vielen zusammen anzugreifen.
Doch halt, da schwingen wir schon wieder unsere autonomen Reden, dabei geht es hier ja auch um unsere und eure Geschichte. Also: wie begann eigentlich alles?
Ein Rückblick
Vor 20 Jahren nahm die Geschichte dieses Hausprojekts ihren Anfang: die Rigaer Straße 94 wurde besetzt. 1992 wurden Verträge mit der Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain abgeschlossen und die mühevolle Instandsetzung des Hauses begann, begleitet von ständigem Ärger mit der Vermieterin. Zu diesem Zeitpunkt haben sich die Bewohner_innen wohl kaum ausgemalt, dass dies der Beginn eines nun schon 20 Jahre währenden Kampfes um das Haus werden würde.
Acht Jahre nach der Besetzung kam es zur Rückübertragung des Gebäudes an die „Conference of Jewish Claims against Germany“, da die Alteigentümer_innen im Nazi-Regime deportiert und ermordet wurden. Die im Zuge der Rückübertragung eingesetzte Hausverwaltung ließ das Haus über einen Makler zum Verkauf ausschreiben. Parallel dazu begannen die Bemühungen der damaligen Bewohner_innen, das Haus selbst zu kaufen. Den Zuschlag bekam aber im Jahr 2000 letztendlich ein Privateigentümer. Dieser veranlasste erste Polizeieinsätze gegen das Haus und die dazu gehörende Kadterschmiede, den bis heute viel genutzten Veranstaltungsraum des Projektes. Auch die in der Geschichte des Hauses immer wieder einberufenen aber gescheiterten Runden Tische mit Politiker_innen zur Vermittlung zwischen Bewohner_innen und den sogenannten Eigentümern nahmen in dieser Zeit ihren Anfang. Der erste Eigentümer trat vom Kauf zurück und die Bewohner_innen der 94 unterbreiteten ein Kaufangebot. Dieses wurde jedoch übergangen und das Haus wiederum an einen Privateigentümer verkauft: an den berüchtigten Suitbert Beulker, dem bereits mehrere Häuser in dieser Straße gehörten, sowie die daran anschließende Liebigstaße 14.
Das war vor 10 Jahren. In dieser Zeit hat sich ein Verhältnis zwischen Projekt und sogenanntem Eigentümer entwickelt, das als permanenter Kriegszustand beschrieben werden kann. Highlights waren zahlreiche Polizeieinsätze und mehrere Teilräumungen des Projekts, die Einrichtung eines Wachschutzes, welcher Bewohner_innen und Besucher_innen Tag und Nacht auf die Nerven ging und marodierende Bauarbeiter, die auf das Projekt losgelassen wurden. Auf juristischem Weg musste sich das Haus gegen eine Flut von Kündigungen und andere Ärgernisse zur Wehr setzen, die zum großen Teil jedoch vom Gericht abgewiesen wurden. Räumungen gab es aber immer wieder – ob legal oder illegal. Doch die Räume konnten so manches Mal zurückerobert werden. Das Projekt verschaffte sich auf der Straße Gehör durch Demos und vielfältige Aktionen. Stets war es das Anliegen der Bewohner_innen, nicht nur die eigene Situation zu thematisieren, sondern Bezug zu nehmen auf die vielfältigen Kämpfe in der Stadt, in welchen sich gegen Umstrukturierung gewehrt oder den Neonazis die Hölle heiß gemacht wurde oder was sonst gerade so anstand.
Und die nächsten 20 Jahre?
Bis heute kämpfen wir um unseren Platz in einer Stadt, deren Politik sich in den letzten Jahren immer wieder konsequent gegen ihre Bewohner_innen und für das Privateigentum entschieden hat. Doch wir sind nicht alleine in diesem Kampf, und ohne die vielfache Unterstützung, die wir erfahren haben, wären wir wohl schon lange nicht mehr hier. In diesem Sinne wollen wir uns bei allen bedanken die uns nach unserem geliebten Konzept „auf allen Ebenen mit allen Mitteln“ immer wieder unterstützt haben und hoffentlich auch weiterhin zusammen mit uns auf die Straße gehen werden, um die Utopie eines selbstbestimmten Lebens gegen die ewig langweiligen Nein-das-geht-nicht-Sager_innen zu verteidigen.
Es wird wohl nicht einfacher werden, und doch sehen wir gespannt in die Zukunft und hoffen auf das Potential der aktuellen sozialen Konflikte, um mit Kapitalismus, Unterdrückung, Staat und unserem verhassten Hauseigentümer endgültig Schluss zu machen.
WIR BLEIBEN ALLE
Always yours, eure Rigaer 94.